Familie

Scheidung oder Hollywoodfilm? Mythen und Fakten über die Auflösung der Ehe.

Scheidungspaar auf dem Sofa - beide schauen nachdenklich
Niemand wünscht sie sich, aber für zwei von fünf Ehepaaren ist sie früher oder später Realität: die Scheidung. Wie eine Auflösung der Ehe abläuft, warum es immer um Geld geht und was Hollywoodfilme damit zu tun haben, erklärt CAP-Juristin und Expertin für Scheidungsrecht Valentina Cicco.
Interview: Seline Schneider | Lesedauer: 7 Minuten

Frau Cicco, als Expertin für Scheidungsrecht haben Sie schon über 2000 Scheidungsverfahren begleitet. Darum gleich eine Frage vorweg: Glauben Sie noch an die Ehe?

Den grössten Vorteil der Ehe sehe ich darin, dass alles klar geregelt ist. Ich selbst bin zwar (noch) nicht verheiratet, mein Beruf hat mich aber nie davor abgeschreckt, im Gegenteil. Ich weiss genau, worauf man achten muss. Ein Grossteil der Scheidungen geht übrigens reibungslos über die Bühne. Ihren schlechten Ruf verdankt die Scheidung den Medien – und natürlich Hollywoodfilmen.

Was ist denn der grösste Irrglaube in Bezug auf Scheidungen?

Viele Leute denken, dass man mit einem Ehevertrag alles regeln kann und zum Beispiel bei einem Seitensprung hohe Summen kassiert. Das mag in Amerika so sein, in der Schweiz ist das allerdings sehr unwahrscheinlich. Auch in Bezug auf die Kosten sind sich viele nicht bewusst, dass es nach einer Scheidung schwierig wird, den gewohnten Lebensstandard zu halten.

Die CAP versichert seit 2022 als erste Rechtsschutzversicherung Scheidungs- und Trennungsverfahren. Habe ich damit einen Freifahrtschein für einen Rosenkrieg?

Nein, wir übernehmen die Kosten für ein Scheidungsverfahren bis maximal 15 000 Franken. Damit sind im Normalfall Gerichts- und Anwaltskosten gedeckt. Ein Rosenkrieg, der sich über mehrere Jahre hinzieht, wird um ein Vielfaches teurer. Darum lohnt es sich auch nicht, ewig zu streiten. 

Was kostet denn eine Scheidung im Durchschnitt?

Die Gerichtskosten variieren je nach Kanton. In Zürich beispielsweise belaufen sich die Gerichtskosten für eine Scheidung auf 4200 Franken. Hinzu kommen noch die Anwaltskosten. Eine Scheidungsverhandlung dauert ungefähr sechs Stunden, das Anwaltshonorar ist um die 300 Franken pro Stunde. Meistens braucht es noch eine zweite Verhandlung und die Anwältin oder der Anwalt muss sich auch vorbereiten. Man kommt also gut auf 20 Stunden, sprich 6000 Franken Anwaltskosten und insgesamt mehr als 10 000 Franken. Je länger das Verfahren dauert, desto höher werden natürlich die Kosten.

Braucht man zwingend eine Anwältin oder einen Anwalt?

Obligatorisch ist es nicht. Bei einfachen Fällen – beispielsweise ohne Kinder und bei Gütertrennung – kann man sich gut auch ohne rechtlichen Beistand scheiden lassen. In den meisten Fällen macht es jedoch Sinn, eine Anwältin oder einen Anwalt beizuziehen. Schon alleine damit man jemanden hat, der einem sachlich zur Seite steht, wenn man selbst keinen kühlen Kopf bewahren kann. Scheidungen sind meist sehr emotional. Und wenn eine Partei einen Anwalt hat, sollte die andere Partei auch einen haben – für die sogenannte Waffengleichheit.

Ich bin bei der CAP rechtsschutzversichert und will mich scheiden lassen. Wie muss ich vorgehen?

Die meisten Versicherten rufen erst einmal bei uns an und erhalten dann eine telefonische Rechtsauskunft. Denn meistens gibt es noch ganz viele offene Fragen. Wenn sich die versicherte Person dann für eine Scheidung entscheidet, muss sie den Fall bei uns schriftlich anmelden – per Brief oder E-Mail. Wir machen eine Kostengutsprache und leiten den Fall weiter an eine externe Anwaltskanzlei, welche die Scheidung beim Gericht einreicht und die Mandantin oder den Mandanten vor Gericht vertritt.

AkteXX – der Podcast von elleXX und CAP

In diesem Podcast diskutieren Nadine Jürgensen und Patrizia Laeri von elleXX mit einer Juristin der CAP Rechtsschutzversicherung reale Rechtsfälle. In dieser Folge geben wir praktische Tipps zum Thema Scheidung.

Die Versicherungspolice lautet auf beide Ehegatten, ist das kein Problem?

Die Police gilt grundsätzlich für die Person, welche die Versicherung abgeschlossen hat. Bei einer Scheidung lebt man meistens schon getrennt und es wohnt nur noch eine Person im versicherten Haushalt – für diejenige Person gilt die Versicherung auch. Oft machen Paare vor der Scheidung noch eine Mediation und versuchen eine Einigung zu finden. Diese Lösung kann bei einer Scheidung direkt dem Gericht eingereicht werden und die Kosten dafür sind für beide versichert.

Was sind die häufigsten Konflikte bei einer Scheidung?

Leider wird meistens um Geld gestritten. Als man noch zusammengewohnt hat, hat das Geld gut gereicht. Wenn man dann aber getrennte Haushalte hat, sind die Kosten höher und das Budget wird knapp. Das bedenken viele vorher nicht. Oft sind Emotionen im Spiel und es gibt auch Parteien, die um jeden Preis streiten wollen.

Bekommen Sie viel Persönliches mit?

Unsere Versicherten schildern uns meist die Situation und die Gründe, warum sie eine Scheidung wollen. Das geht oft sehr ins Detail. Danach sitzt man mit beiden Parteien an einem Tisch. Da bekommt man so einiges mit.

Gibt es einen Scheidungsfall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ja, mein allererster Fall. Das war ein Eheschutzverfahren, also ein Trennungsverfahren. Hier ist man noch verheiratet, aber gerichtlich getrennt. Der Ehemann hat an Silvester seine ganze Familie verprügelt. Ich habe mich dann zurückerinnert, dass ich mit meinen Freunden einen schönen Abend verbracht habe, während die Familie durch die Hölle gegangen ist. Das hat mich extrem mitgenommen.

Was braucht eine gute Scheidungsanwältin oder ein guter Scheidungsanwalt?

Man muss sicher die Rechtslage kennen und diese mit Argumenten auch durchsetzen können. Bei einem Scheidungsverfahren leistet man aber auch seelischen Beistand, man braucht also Einfühlungsvermögen und Empathie. Wichtig ist, dass man sich abgrenzen kann und einem die Fälle nicht zu nahe gehen. Und man muss die Verantwortung für Gerichtsentscheide tragen können.

Welche Arten von Scheidungen gibt es?

Grundsätzlich gibt es drei Arten, eine Scheidung einzureichen. Erstens: Scheidung auf gemeinsames Begehren. Beide Parteien wollen die Scheidung und reichen diese gemeinsam ein. Zweitens: Scheidung auf Klage. Wenn nur eine Partei die Scheidung will, muss man zuerst zwei Jahre getrennt leben, bevor die Scheidung eingereicht werden kann. Und dann gibt es noch die Scheidung wegen Unzumutbarkeit. Hier kann die Scheidung von einer Partei sofort eingereicht werden, sofern wichtige Gründe vorliegen, zum Beispiel Misshandlung oder ein Sexualdelikt.

Wie lange dauert eine Scheidung?

Ohne Kinder kann man die Scheidung grundsätzlich innerhalb von einem Termin regeln. Allerdings dauert es einige Monate, bis man einen Gerichtstermin bekommt. Wenn keine Einigung stattfindet, dauert es wieder eine Weile bis zum nächsten Termin. Mit Kindern wird es etwas komplizierter und es braucht womöglich mehrere Verhandlungen, um sich einig zu werden, zum Beispiel über Sorgerecht oder Unterhalt. Auch die güterrechtliche Auseinandersetzung kann kompliziert sein. Mit einem Jahr muss man schon rechnen. Ich habe auch schon Fälle erlebt, wo sich das Scheidungsverfahren 15 Jahre lang weitergezogen hat.

Moa Bomolo | Bild: Roberto Ecclesia Spotlight 2023

Valentina Cicco (33) ist Juristin und arbeitet seit 2 Jahren bei der CAP Rechtsschutzversicherung als Expertin für Scheidungsrecht. Zuvor war sie 6 Jahre am Gericht tätig und ist Ersatzrichterin. Cicco lebt in Zürich und liebt alles, was mit Essen zu tun hat.

 

Was bringt ein Ehevertrag?

Hier sind wir wieder bei den Hollywoodfilmen. Viele glauben, dass man mit einem Ehevertrag bei einer Scheidung Millionenbeträge bekommt. Aber er regelt einfach den Güterstand der Ehegatten. Wer keinen Ehevertrag hat, unterliegt dem Güterstand der Errungenschaftsbeteiligung. Das heisst, jedem gehört das, was er oder sie in die Ehe einbringt und allenfalls während der Ehe geschenkt bekommt oder erbt. Der Lohn und andere bezogene Leistungen während der Ehe gehören aber zur Hälfte beiden. Dann gibt es die Gütertrennung, das ist die vollständige Trennung der beiden Vermögen. Das macht Sinn, wenn jemand ein eigenes Unternehmen oder viele Liegenschaften hat. Das Gegenteil ist die Gütergemeinschaft. Hier gehört alles beiden, sie können auch nur gemeinsam darüber verfügen. Diese Form ist allerdings eher selten. Grundsätzlich kann man in einem Ehevertrag auch noch andere Dinge regeln. Das Gericht prüft allerdings, ob dies auch angemessen ist.

Was passiert bei einer Scheidung mit AHV, Pensionskasse und 3. Säule?

Das AHV-Guthaben, das während der Ehe erzielt wurde, wird nach der Scheidung auf Antrag der Ehegatten bei der AHV hälftig auf beide verteilt. Das Gleiche gilt für die Pensionskasse. Hier entscheidet das Gericht über den Betrag. Bei der Pensionierung bekommt ein Ehepaar eine Maximalrente von 3675 Franken, während Einzelpersonen maximal 2450 Franken erhalten. Das Guthaben in der 3. Säule wird grundsätzlich auch zur Hälfte geteilt. Hier spielt allerdings der Güterstand eine Rolle.

Ehepaare erhalten pro Person weniger AHV-Rente als eine Einzelperson. Lohnt es sich also, sich kurz vor der Pensionierung scheiden zu lassen?

Das ist eine häufig gestellte Frage. Für den Rentenbezug lohnt es sich finanziell. Bei der Ehe ist jedoch alles geregelt – Unterhalt, Güterrecht, Erbrecht. Wer geschieden ist, erhält beispielsweise keine Witwenrente mehr und ist nicht mehr erbberechtigt bzw. muss beim Erhalt eines Erbes hohe Erbschaftssteuern zahlen. Daher lohnt es sich nur bedingt.

Was passiert mit einer allfälligen Hypothek bei einer Scheidung?

Hier kommt wieder das Güterrecht ins Spiel. Es stellt sich die Frage, wem die Liegenschaft gehört. Wenn man sie gemeinsam gekauft hat und eine gemeinsame Hypothek hat, kann man das Haus entweder verkaufen, dann wird der Erlös abzüglich Hypothek gemeinsam geteilt. Oder wenn jemand im Haus wohnen bleibt, kann man derjenigen Person Wohnrecht einräumen. Dieses ist jedoch entschädigungspflichtig, wird also mit dem Unterhalt verrechnet. Oft muss diese Person den Hypothekarzins bezahlen.

Welche Folgen haben die Neuerungen zum Unterhaltsrecht?

Der Kindesunterhalt setzt sich neu aus dem Barbedarf und dem Betreuungsunterhalt zusammen. Der Barbedarf sind die laufenden Kosten, die für ein Kind pro Monat anfallen, zum Beispiel Mietzins, Krankenkasse oder Fremdbetreuung. Der Betreuungsunterhalt ist die Differenz des Einkommens der weniger verdienenden Person zu ihrem Bedarf. Wichtig ist hier auch der Leitentscheid des Bundesgerichts zur Einführung des Schulstufenmodells. Das bedeutet, sobald das jüngste Kind in die Schule kommt, muss die weniger verdienende Person wieder 50 Prozent arbeiten, wenn das Kind 10 wird, 80 Prozent und wenn es 16 wird, 100 Prozent. Zudem wurde die 45-Regel abgeschafft. Früher war es für eine Frau, die bis 45 nicht gearbeitet hat, unzumutbar, wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu gehen. Darum hat sie dann bis zur Pensionierung Unterhalt bekommen. Das Bundesgericht plädiert allgemein mehr auf Eigenversorgung. Man kann nicht mehr davon ausgehen, dass man nach einer Scheidung überhaupt nachehelichen Unterhalt bekommt.

Zum Schluss: Welche Tipps würden Sie Personen geben, die vor einer Scheidung stehen?

  1. Eine Rechtsberatung kann die wichtigsten Fragen zu Unterhalt, Sorgerecht, Umzug etc. klären. Es ist wichtig, die eigenen Rechte und Pflichten zu kennen – das nimmt Unsicherheit und beruhigt. Wer eine Rechtsschutzversicherung bei der CAP hat, kann sich jederzeit kostenlos beraten lassen.
  2. Man sollte das Scheidungsverfahren emotional trennen und wenn möglich Kinder nicht mit reinziehen. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, entscheidet am Schluss das Gericht. Daher lohnt es sich nicht, gross zu streiten. Das kostet nur Zeit, Nerven und Geld. 
  3. Ein Ehevertrag regelt die Dinge klar, insbesondere mit Blick auf den Güterstand bzw. das Vermögensrecht.
Sie wollen mehr zum Thema Scheidung wissen? Wenn Sie eine Privatrechtsschutzversicherung bei der CAP haben, können Sie sich kostenlos telefonisch beraten lassen.
 
Wie ist das Vorgehen bei einer Trennung, Scheidung oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft? Und worauf muss man achten?

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